DA SEIN, Galerie im Stifterhaus, Linz, Mai 1996

Es ist notwendig, alles zu zeigen…

DA SEIN entstand in Zusammenarbeit mit den beiden Galeriebetreibern des Landes Oberösterreich, Herrn Mag. Dr. Peter Assmann und Dr. Martin Hochleitner. Das Jahresthema der Galerie war „Kunst im öffentlichen Raum“, und so wurde von mir vorgeschlagen, Abgüsse des eigenen Körpers als irritierenden Fremdkörper dem öffentlichen Raum einzuschreiben. Die Idee war, sich bzw. das eigene Abbild schutzlos einer uninformierten Öffentlichkeit zu zeigen – und zu sehen, wie die Menschen damit umgehen.

Sieben Gipsfiguren wurden nach ihrer Präsentation in der Stifterhausgalerie zur Vernissage an öffentlichen, stark frequentierten Plätzen Linz' der Öffentlichkeit ausgesetzt. Innerhalb von 36 Stunden waren die ohne jeglicher Zusatzinformation versehenen Abbilder großteils aus dem öffentlichen Raum verschwunden. Zwei davon waren mit Putz und Stingel von Unbekannten entfernt, eine in eine private Parkgarage verfrachtet, eine Figur war absolut zerstört und nur drei verblieben im Stadtbild. Diese waren entweder nahe einer Polizeiwachstube oder sonstwie schwer zugänglich.

Innerhalb einer Woche waren auch die verbliebenen drei Körper gefällt, die Überreste wurden zur Finissage in die Galerie verfrachtet. Die Gewalt hat sich bis in den geschützten Kunstbereich erstreckt: zur Abholung einige Tage danach war dann auch noch das in der Galerie verbliebene Original schwer beschädigt. Sämtliche Figurenreste lagen übereinandergeworfen im Lichthof des Galeriegebäudes. Ein Bild, das mich in seiner Drastik an Dokumentationsfotos von KZ-Befreiungen bestürzte. Offensichtlich hat die Nacktheit der Figuren nicht nur beim Publikum vor allem Agression hervorgerufen.

Die Plakate, Einladungen und auch das Buchcover zu DA SEIN zeigten am Cover mein nacktes Abbild, also wurde auch in diesen Medien – gemäß dem Ausstellungstext – eine große Sichtbarmachung der Entblößung in der Öffentlichkeit angestrebt.

Zur Ausstellung erschien ein Künstlerbuch mit eigenen Texten und Fotos des eigenen Körpers und Beiträgen zum Thema DA SEIN von mir verbundenen Personen: Galerieleiter, Psychologen, Künstler, …

Auszüge aus dem Konzept

Es geht mir darum, vorhandene Schönheit zu zeigen, darzustellen, hinzuweisen auf vohandene Harmonie, anstatt sie mühselig, artifiziell, mit künstlerisch-akademischem Gestus zu erzeugen … Es geht darum, GRUNDSÄTZLICH NICHTS am Status Quo zu verändern. Das Da sein zu lassen, endlich einmal damit aufhören, von einer-wackligen Utopie in die nächste zu taumeln. Paradigmen zu verändern, neu zu kombinieren, …

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Vom eigenen Körper wird ein Abguß genommen. Ohne Kleidung in Lebensgröße. … das Sein des Materials wird möglichst belassen. Kanten und Unebenheiten werden nicht entfernt, der Künstlerfinger soll sich über etwas anderes hermachen … Gewonnene Abgüsse werden auf öffentlichen, stark frequentierten Plätzen Linz' aufgestellt. Ohne jeglichen Schutz vor Witterung oder eventuell auftretenden Vandalenakten: Es ist ein Teil dieser Arbeit, eintretende Veränderungen zu ermöglichen. Bis zur völligen Zerstörung wird jeder Ausgang offen gelassen.

Details zur Ausführung

Im Atelier von Mag. Gerhard Wünsche, damals Lehrbeauftragter an der HS für Gestaltung in der Meisterklasse Reiterer wurden die Abgüsse erstellt. Ohne die Mithilfe von ihm, seiner Frau Helga, seinem Sohn Karl, dem Künstler Arnold Pichler, Thomas Lagemann und anderen wäre dieses aufwändige Unterfangen nie zu bewerkstelligen gewesen. Ein herzlicher Dank allen an dieser Stelle!

Sieben weiße und eine schellackierte braune Gipsfigur wurden gefertigt, zur Vernissage in der Stifterhausgalerie ausgestellt und am darauffolgenden Tag auf belebten Plätze der Linzer Innenstadt installiert: In der Altstadt, vor dem Landhaus, im Einkaufszentrum Arkade, auf der Verkehrsinsel Blumauerkreuzung, vor dem Krankenhaus der barmherzigen Brüder, vor dem Brunnen am Taubenmarkt und vor dem Schillerpark an der Landstrasse.

Die Fotos im Buch stammten von Peter Alfanz. Die Texte zum DA SEIN von Hermann Staudinger, Peter Assmann, Christa Doleschal (telepathisches Medium), Jean Amery (zur Verfügung gestellt von Dr. Richard Picker, Gestaltpsychologe), Eduard Staudinger (Schriftsteller), Thomas Lagemann (Künstler), Arnold Pichler (Künstler), Gerhard Wünsche (Künstler), Ermin Döll (Zen-Lehrer, Theologe)