Aus dem Buchprojekt „Wie ich zur bildenden Kunst kam“

Interview mit Hermann Staudinger, aufgezeichnet von Markus Kircher

Ich kann mich nicht mehr erinnern, aber meine Mutter erzählte mir, dass ich nach der Schule nach Hause kam und bevor ich zum Mittagessen eilte, vorher immer schnell noch was zeichnete/malte. Im Kindergarten malte mein Freund eine schöne, große blaue Wolke mit Ölkreide. Das beeindruckte mich, weil sie so schön war. So etwas Schönes möchte ich auch machen können, dachte ich mir damals.

Mein Ururgroßvater war Organist und schickte seine Kinder betteln, weil er nicht genug einspielte, so wird in unserer Familie erzählt.

Ich wurde als 14 jähriger mit meinem Bruder zu einem ÖVP-Mal-Lager für 1 Woche geschickt. Damals, wie heute, bin ich interessiert etwas Schönes zu machen/malen …

Nach der Matura wurde ich Einrichtungsberater, weil meine Eltern ein Studium von mir nicht finanzieren gekonnt hätten. Ein Freund von damals, mit dem ich mich immer wieder zum Malen traf, versuchte die Aufnahmeprüfung bei einer Kunst-Uni. Der Professor sagte ihm, dass seine Mappe wirklich zu schwach sei, worauf er die nächsten 5 Jahre kein einziges Bild mehr malte, Wirtschaft studierte, und jetzt als Alkoholiker in einem helfenden Beruf arbeitet.

Ich wurde mit 22 oder 23 Jahren in der Kunstuni aufgenommen und hatte nebenbei immer kleine Jobs, vornehmlich handwerkliche, um mein Leben zu finanzieren. Ich glaube überhaupt, dass die Zukunft der Kunst im Handwerk liegt. Jahrelang lebte ich nach dem Studium als freischaffender Künstler, aber immer mehr zweifle ich, ob ich wirklich davon leben kann. Mir ist es derzeit fast lieber, ich habe immer wieder handwerklich ausgerichtete künstlerische Arbeiten, mit geregelten Arbeits- und Lohnzeiten, Sozialkontakten in Form von Mitarbeitern. Derzeit zweifle ich sogar daran, ob ich mich wirklich als Künstler sehe und fühle. Meine künstlerischen Arbeiten sind ästhetische, schöne Übungen. Nichts spricht dagegen, aber revolutionieren werde ich die Kunst damit nicht.

Ich glaube, ich habe immer schon gezeichnet und gemalt, weil ich etwas Schönes und Beglückendes schaffen wollte. Etwas, das mit viel Liebe, Sorgfalt und Hingabe entsteht und entstanden ist, Etwas wirklich wert-volles, das es in dieser Art auf unserer Welt noch nicht gegeben hat. Eigentlich ging es also immer nur um die Liebe, dass Etwas mir und anderen Freude und ein Wohlgefühl gibt.

Jetzt mach ich das schon so lange, fast 20 Jahre und bin derzeit sehr enttäuscht und erschöpft, dass meine Liebe nicht vom offiziellen Kunstmarkt wahrgenommen und geschätzt wird. Da sind so viele coole, gescheite Leute, die nichts davon wissen wollen, sondern lieber theoretische und andere „hirnige“ Dinge verfolgen. Da geh ich fast unter mit meinem kleinen bescheidenen Gefühl, das ich schon als Kind immer hatte. Ich glaub aber schon, dass das wichtig ist (zumindest mir), dass eine Arbeit zum Betrachter sagt: ich mag dich,  es ist schön, dass du da bist, was für ein Wunder, dass wir leben und lieben.

Erst vor kurzem hab ich einen Kunstprofessor getroffen, einen Künstler, dessen Arbeit ich sehr schätze und der hat einmal ein Bild von mir gekauft, eines meiner schönsten. Und da hab ich mich wieder verstanden und geliebt gefühlt in meiner Arbeit.

Es ist schwer für mich, in einer so harten Welt dieses, mein kleines, Gefühl zu leben und zu sein, aber es bleibt mir eh nichts anderes übrig, das ist ganz einfach mein Leitstern, mit dem ich auf diese Welt kam. Und es wird auch wieder bessere Zeiten geben.

Als Kind hab ich davon geträumt, dass ich irgendeinen – vermutlich sportlichen – Wettbewerb gewonnen habe und in einem Stadion meine rechte verstümmelte Hand über einen großen Monitor gezeigt wurde, und die Leute haben geklatscht, dass wer mit so einer Behinderung etwas so Tolles zusammenbringt. Das war sehr schön!