Heil, Ausstellung Jesuitenfoyer, Wien, November 2004

Eröffnungsrede Pater Gustav Schörghofer SJ

Seien Sie herzlich willkommen zur Ausstellung von Hermann Staudinger im Jesuiten Foyer!

Ich möchte zu den hier ausgestellten Dingen insoferne etwas sagen, als ich ein Umfeld schaffen möchte, in dem dann vor allem die Gold- und Silberarbeiten ihre Bedeutung bekommen.

Was sie hier sehen, das sind Arbeiten, die in unterschiedlichen Techniken hergestellt sind. Goldarbeiten, mit Blattgold gearbeitet oder versilbert, ein Siebdruck auf Glas oder das Photo einer Zeichnung.

Die vergoldeten bzw. versilberten Arbeiten zeigen dann auch – wenn man sich so stellt, daß das Material glänzt – Gegenständliches, also figurative Abbildungen. D.h. es sind zwei vorgefundene Materialien verwendet und miteinander verblendet: das Fotomaterial, das aus profanen Zeitungen stammt, und das Goldmaterial.

Das ist etwas, das es früher auch gegeben hat, und ich meine mit früher sehr viel früher. Ich beginne mit einem Zitat aus „Die ottonische Kunst“ von Otto Jantzen. (Dazu ist zu sagen, daß Jantzen ein Kaliber unter den Kunsthistorikern war, der sich v.a. mit mittelalterlicher Kunst befaßt hat. Er war jener, der uns einen einzigartigen Zugang zur ottonischen Kunst erschlossen hat – ottonisch heißt ungefähr um 1000):

„Liuthard, der Maler des Aachener Codex, hat den Goldgrund im engeren Sinn in die abendlän- dische Kunst eingeführt und damit dem Bildgegenstande jene transzendierende Haltung verlie- hen, die für das gesamte Mittelalter kennzeichnend bleibt.“

Damit ist einiges gesagt. Liuthard war ein Maler, der besagten Codex illustriert hat, ein Hauptwerk der ottonischen Buchmalerei. Und genau in dieser Zeit ist – so kann man sagen – der Goldgrund erfunden worden. Dieser Goldgrund spielt dann im gesamten Mittelalter – also in der Zeit von ca. 1000 bis 1500 n. Chr. – eine entscheidende Rolle; und ist für diese Epoche kennzeichnend geblieben. Es ist gut, das zu wissen, daß die hier zu sehenden Goldflächen im Mittelalter schon eine große, glorreiche und wunderbare Geschichte hatten.

Man muß diese Arbeiten – auch die in der Buchmalerei – so ansehen, daß das Gold aufglänzt. Das Gold ist ja poliert, und es kann matt oder glänzend erscheinen. Das aufglänzende Gold ist dann nicht einfach eine Farbe, sondern es weitet sich zu einem Raum, einem Lichtraum, und es steht – deshalb der Hinweis aufs Transzendieren – es steht für eine Herkunft der Dinge und für eine Hinkunft der Dinge; also für einen Raum, der anders ist als der physikalisch erfahrbare, in dem wir uns befinden. Insofern ist das Gold natürlich immer etwas, das mit dem Heiligen in Verbindung gebracht wird.

Um 1500 dann ist es vorbei mit dem Goldgrund, Reste von ihm tauchen noch manchmal in den Heiligenscheinen auf. Gehalten hat sich der Goldgrund in den Bilderrahmen, die eine Art Aura über die Fläche dieses Bildes schaffen. An so etwas knüpfen auch – zumindest in der Assoziation – die hier zu sehenden Kreise an.

Im 20. Jahrhundert ist dann etwas Eigenartiges geschehen, daß das Gold in der Kunst wieder- entdeckt wird. Im Barock hat es das auch schon gegeben, allerdings hat man Gold im Barock eingesetzt, um Glanzlichter zu zeigen. Wenn Sie einmal abends in die Jesuitenkirche kommen, können sie das sehen. Tagsüber ist das Gold weniger präsent, in der Nacht, aber, wenn die Farben verblassen, fängt das Gold das im Raum befindliche Licht auf und schafft so einen eige- nen Lichtraum um den, der sich darin bewegt. Also auch hier hat es etwas mit Transzendenz zu tun. Es weitet sich der Raum ins Unfaßbare hinein.

Im 20. Jhdt. ist das Gold also wiederentdeckt worden, es gibt da einen Künstler, Yves Klein, der oft mit Gold gearbeitet hat. Ich erzähle Ihnen eine kleine Geschichte: man hat einmal in einem klei- nen Kloster der Augustinerinnen in Umbrien einen Restaurator beschäftigt, der sich darum kümmern sollte, Goldgründe mittelalterlicher Werke zu pflegen bzw. wiederherzustellen. Diesem Restaurator ist das Blattgold ausgegangen und er fragt eine Nonne des Klosters, ob nicht zufälligerweise irgendwo im Kloster etwas Blattgold vorhanden wäre. Die Schwester überlegt hin und her und dann hellt sich ihr Gesicht auf und es fällt ihr etwas ein. Sie bittet ihn, etwas zu warten, und kommt nach kurzer Zeit mit einem Kästchen. Das Kästchen war mit mehreren Fächern unterteilt, und der Restaurator erkennt in ihm eine Arbeit von Yves Klein.

Die Schwestern des Klosters hatten keine Ahnung wer das ist. Das war in den 80er Jahren. Yves Klein ist 1961 als Wallfahrer nach Umbrien zu kommen, um bei der hl. Rita von Cascia – das weibliche Gegenstück zum hl. Judas Taddhäus – der Schutzheiligen für die aus- sichtslosen Fälle, also für das, was als Unmöglich gilt, um bei der hl. Rita um Beistand zu bitten. Klein brauchte in einer entscheidenden Situation Unterstützung und man weiß nichts Genaues darüber, nur, daß er diese Wallfahrt heimlich unternahm und nur Tinguely davon wußte.

Die Schwestern, die von moderner Kunst natürlich keine Ahnung hatten und von Yves Klein schon gar nicht, haben das Kästchen aufbewahrt, weil sich darin ein kleiner Goldbarren befand. Yves Klein hatte damals immateriellen Raum verkauft, von den dabei erlösten Goldbarren hat er einige in die Seine geschmissen. Und einen hat er der Rita von Cascia in diesem Kästchen zusammen mit seinem typischen Yves Klein Blau als Gabe hinterlassen. Soweit diese Geschichte. Auch hier ist es so, daß das Gold wiederum mit dem Heiligen verbunden wird, was ja bei einem Künstler wie Yves Klein offenkundig ist.

Zu den hier ausgestellten Arbeiten: mit dem Gold im 20. Jhdt. wird an das Gold im Mittelalter angeknüpft. Das Gold wird als Materie wiederentdeckt und – so wie es hier ist – man muß es einfach materiell nehmen – es ist eine kostbare Materie. Das Blattgold aufpoliert oder auch im matten Zustand gelassen. Es werden dann diese Objekte geformt, die – diese Assoziation wird man nicht auskommen – an Rahmen erinnern, die aber einen Raum schaffen um etwas herum, also ein Feld schatten um etwas herum, das tut natürlich ein Rahmen auch, aber diese Kreise sind eigen- ständige Gebilde für sich, die durch diese Abstufung nach innen ein Feld vertiefen oder verdich- ten. Es sind Meditationsobjekte, würde man wohl sagen.

Die Bilder sind eine Überblendung von 2 Materialien: dem Material Gold und dem Bildmaterial, das aus herkömmlichen Zeitungen stammt. Das sind Photos, die dann kopiert wurden und so hat sich auch die Rasterung erhalten. Kopiert, und in einem sehr sehr mühsamen Prozeß – da wendet der Künstler Wochen auf, glaube ich – vom Papier in dieses Gold übertragen. Und zwar durch Bleistiftdruck auf das Papier, und da entsteht dann die matte Stelle im Blattgold. Gewissermassen sind es Schatten im Blattgold – so ist es wohl zu sehen- und ähnliches gilt für die silbernen Flächen.

Ich glaube, das ist ein möglicher Zugang. Das Gold hat natürlich auch hier, in diesen Arbeiten, mit dem Heiligen, dem Spirituellen zu tun, ohne daß das konfessionell festgelegt wäre, das ist es nicht. Es wird die Welt der modernen Bilder, die uns ja umgibt, umrauscht und durchströmt, in diesen Raum des Goldes hineingenommen und bekommt dadurch einen ganz, ganz besonderen Charakter.

Vielen Dank!